Ich schwankte lange, was für heute mein Ziel werden sollte. Es gab zwei Alternativen, Nummer Eins war die sichere Variante und einfach einen Kreisoberligisten auf Kunstrasen
(Austragung also trotz Regen nicht gefährdet), das Manko hierbei war aber späte Anpfiff um 20 Uhr. Die zweite Möglichkeit war der Gruppenligist von Bosporus Kassel, den wir eigentlich im Mai
bereits besucht hatten, allerdings wurde hier nicht auf dem Hauptplatz gekickt. Damals wurde auf Naturrasen gespielt, aber ihr Hauptplatz scheint wohl der Kunstrasen nebenan zu sein. Das
heutige Match war laut fussball.de auf „KR1“ angesetzt, allerdings hat das Sportgelände zwei Kunstrasenplätze und die Nummerierungen sind nicht immer passend mit den Angaben bei Europlan oder
dem App, mal ganz davon abgesehen habe ich natürlich keine Ahnung welcher Platz Nr. 1 ist und welcher die Nr. 2. Eine Anfrage beim Verein bereits vorgestern Abend blieb leider unbeantwortet,
so dass ich abwägen muss, ob ich es riskiere. Kick-off ist bereits um 18 Uhr, das würde direkt aus dem Büro ein wenig Hetzerei bedeuten und falls man doch auf dem „falschen“ Platz spielt,
müsste ich zu Plan B wieder eine Stunde fahren und vor allen Dingen wären es hin und zurück insgesamt 140 Kilometer für nichts und wieder nichts gewesen. Puh, ich überlegte lange, aber der
Reiz meine Nummer 126 der 135 hessischen Gruppenliga-Grounds zu machen, also bei der Anzahl der Fehlenden endlich einstellig zu sein, der
gewann dann doch. Da der Naturrasenplatz kein Flutlicht hat, war er sowieso raus, wobei ich bei diesem Wetter sowieso nicht damit gerechnet hätte. Es blieb also eine 50:50-Chance und ich ging
nach dem Motto “no risk, no fun” auf die Reise.
Ich machte halbwegs pünktlich Feierabend und huschte um 16:01 Uhr an der Stechuhr vorbei. Keine zwei Minuten später düste ich vom Firmenparkplatz los und hatte 168 Kilometer
zu bewältigen, die das Navi mit 1:53 Stunden angegeben hatte. Dazu wusste ich von unserem Besuch im Frühjahr noch, dass es mit dem Parken vor Ort eher mau aussieht und somit war quasi kein
Puffer vorhandem, wenn ich nochmal zwei, drei Minuten Parkplatzsuche einplanen würde. Also versuchte ich ein wenig Zeit heraus zu holen, verlor aber erst noch zwei Minuten durch einen Traktor
und langer Schlange dahinter bis zur Autobahnauffahrt in Staden. Des Weiteren war plötzlich Verkehr auf der bisher komplett problemlos ausschauenden Route, üblicherweise kurz vor dem
Ohmtal-Dreieck, wo es sich von drei auf zwei Fahrspuren verringert. Glücklicherweise war es aber nicht ganz so schlimm wie befürchtet und nachdem ich auf die A49 abgebogen war, hatte ich dank
dem Pushen zuvor -7 auf dem Navi stehen. Sehr gut, das war so ein Bereich, mit dem ich mich anfreunden könnte. Da der Highway aber weitestgehend frei ist, man nie weiß wie man durch die Stadt
kommt und zudem noch das Problem mit dem Parken ansteht, blieb ich ein wenig auf dem Gaspedal und hatte -10, als ich in Kassel hinein fuhr. Dem Stadtverkehr nahm ich auch nochmal zwei Minuten
ab, stand um 17:48 Uhr vor dem Eingang des Sportgeländes und parkte direkt 100 Meter weiter. Dort dann fünf Euro gezahlt, sah ich direkt am Eingang schon, dass sich beide Mannschaften auf dem
gewünschten Platz warm machten. BÄÄÄÄÄÄÄÄMM, mein Risiko-Ritt wurde belohnt!!! Ich schoss zuerst ein paar Fotos und setzte mich auf eine der wenigen Bänke vor Ort, weil hier aufgrund der
überschaubaren Zuschauerzahl vor Spielbeginn noch Platz war.
Es handelte sich um eine Viertelfinal-Partie des Kreispokals im Fußballkreis Kassel, in welcher sich mit dem FC Bosporus Kassel
und dem GSV Eintracht Baunatal zwei Mannschaften aus der Gruppenliga Kassel 2 gegenüberstanden. Die Hausherren sind Aufsteiger aus der Kreisoberliga und belegen einen sehr
ordentlichen sechsten Platz, was auch bedeutet dass man überraschenderweise vor dem
heutigen Kontrahenten steht, sie aktuell nur Neunter sind. Die Kasseler Vorstädter sind seit ihrem Abstieg aus der Verbandsliga in 2018/19 seitdem nie schlechter als Platz 5
in der Gruppenliga platziert gewesen, zwei Mal (u.a. in der vergangenen Spielzeit) scheiterte man erst in der Relegation am Wiederaufstieg. Nachdem man ordentlich startete setzte es zuletzt
ein Remis und danach drei Niederlagen und auch wenn man noch zwei Nachholspiele hat, beträgt der Rückstand auf Rang Zwei schon zehn Punkte, da ist nicht mehr viel Spielraum irgendwo noch
Punkte liegen zu lassen. Die direkte Duelle stehen übrigens beide noch an. Nun gut, das zählt am Wochenende wieder, heute geht es in einem einzigen Spiel um den Einzug in die Vorschlussrunde
des Kreispokals.
Erstaunlicherweise waren beide Mannschaften überpünktlich aus den Kabinen, kamen die drei Unparteiischen gemütlich mit +2 überhaupt erst aus ihrem Kabuff, Leute, Leute,
Leute. Zuerst ging es recht flott hin und her, auch wenn letztendlich die ganz großen Chancen eher Mangelware waren. Nach 10-15 Minuten verflachte aber die Partie und es spielte sich fortan
nur noch zwischen den Strafräumen ab, einzig ein paar Standards sorgten für einen Hauch von Gefährlichkeit. Kurz vor Ende der ersten 45 Minuten waren die Hausherren doch noch zwei Mal
gefährlich, aber der GSV-Torhüter war beide Male zur Stelle. Nach dem Seitenwechsel das gleiche Bild, es war vor den Toren wenig Action, aber es war erstmal Baunatal, die ein wenig stärker
zurück auf das künstliche Grün kamen und auch ab der 55. Minute langsam immer mehr Zug zum Tor entwickelten. Die Chancen wurden größer und die Einschläge kamen gefühlt immer näher. Ein
Flachschuss aus 20 Metern landete am Pfosten des FC-Gehäuses und direkt im Gegenzug, es war tatsächlich der allererste geordnete Angriff der Hausherren in der zweiten Hälfte, wurde man brutal
ausgekontert. Dieses Tor etwas mehr als eine Viertelstunde vor Ende der regulären Spielzeit stellte das Geschehen der halben Stunde zuvor komplett auf den Kopf, aber der GSV steckte den Kopf
nicht in den Sand und blieb weiter aktiv. Es folgte eine wilde Schlussphase, die eigentlich wenig zum Geschehen davor passte. In der 87. Minute köpfte Baunatal an die Latte und hatte somit
das zweite Mal Pech mit dem Gestänge. Nur drei Minuten später liefen die Einheimischen einem 2 auf 0-Konter in Richtung Gäste-Torsteher, aber statt den Deckel auf dieses Match zu machen,
spielte man sich tatsächlich ins Abseits, unfassbar. Die Strafe folgte prompt auf den Fuß, denn wiederum nur eine Minute später, also direkt zu Beginn der Nachspielzeit fiel tatsächlich noch
der Ausgleich. Kurz darauf erhielten die Gastgeber noch einen direkten Freistoß etwa 20 Meter vor dem gegnerischen Tor, aber dieser wurde ganz knapp daneben gesetzt. Bei 90.+3. und 90.+4. gab
es noch zwei gelbe Karten für den GSV, bevor dann die wilden etwa sieben Minuten rum waren und da es nach der regulären Spielzeit 1-1 stand; musste vom Punkt über das Weiterkommen entschieden
werden. Baunatal begann und bei beiden Mannschaften trafen die ersten beiden Schützen, es folgten zwei Goalie-Paraden und somit versagten jeweils dem dritten Schützen die Nerven, worauf es
wieder vier Volltreffer gab (zwei auf beiden Seiten). Somit war nach jeweils fünf Schützen immer noch kein Sieger gefunden. Es ging also in direkten Einzelduellen weiter und hier ging es
tatsächlich dann aber zügig, denn Baunatal legte vor und der Nachzügler vom FC Bosporus setzte seinen Ball neben das Tor. Somit ist der GSV Eintracht Baunatal der erste feststehende
Halbfinalist des diesjährigen Kasseler Kreispokals.
Es war also doch schon wieder 20:15 Uhr, bis ich wieder im Auto saß und mich auf die Heimfahrt machte. Durch Kassel hindurch wählte mein Navi nun eine andere Route, weil kein
Arbeits-, sondern nur noch der normale Stadtverkehr vorhanden war. Kaum aus der City raus, konnte ich auch direkt auf die A49 befahren, die mich bis zum Ohmtal-Dreieck brachte, wo ich auf die
A5 wechselte. Bei Fernwald verließ ich den Highway und hatte noch 20-25 Minuten Landstraßen, bevor ich um 21:55 Uhr das Fahrzeug in meiner Garage abstellte. Oben blieb ich dann aber noch
einige Zeit wach und schlief erst mit dem NHL Gameradio in der Nacht ein.